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Landesbildungsenquete „Gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen“

Landesbildungsenquete „Gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen“

April 08, 2017

Statements der ReferentInnen

Martin Felder, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Tirol:
„Aus- und Weiterbildung zählen zu den wichtigsten Standortfaktoren für die Wirtschaft. Betrachtet man die letzten Pisa-Ergebnisse, die Rückmeldungen unserer Mitgliedsbetriebe und die demografische Entwicklung, dann erkennt man dringenden Reformbedarf. Wir müssen bewusst frei von Ideologie die besten Lösungen suchen und umsetzen.“

Universitätsprofessor Karl Heinz Gruber, Universität Wien:
„Die Hirnforschung und Entwicklungspsychologie haben nachgewiesen, dass schulische Auslese vor der Pubertät unzuverlässig ist. Die Bildungssoziologie hat aufgezeigt, dass sie sozial unfair ist, weil sie außerschulische Chancenungleichheit verstärkt, und die Bildungsökonomie hat festgestellt, dass sie volkswirtschaftlich verschwenderisch ist, weil viele Begabungen verlorengehen. Nach der Organisationsreform hat man überall an der „inneren Reform“ der Schulen weitergearbeitet und die Lehrerschaft bei der Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts unterstützt. Nach mehr als einem halben Jahrhundert Erfahrung mit Gesamtschulen ist man in keinem einzigen Land zum alten selektiven Schulsystem zurückgekehrt.“

Hans Lintner, amtsführender Präsident des Landesschulrates für Tirol:
„Unser Schulsystem bietet ein breitgefächertes Angebot, in dem alle ihren Bedürfnissen, Interessen und Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. Offenheit, Toleranz und Humanität sollen durch ein kompetenzorientiertes Unterrichtsprogramm mit Wahlfreiheit und Differenzierung gesichert werden.“

Vorarlbergs Bildungslandesrätin Bernadette Mennel:
„Die bildungspolitische Herausforderung liegt darin, Schulstrukturen zu ermöglichen, die Chancengleichheit und Leistungsorientierung verbinden: Jedes Kind soll die Chancen unseres Bildungssystems nutzen können und dabei in seinen Fähigkeiten und Neigungen bestmöglich gefördert und gefordert werden. Mit dem Forschungsprojekt ‚Schule der 10- bis 14-Jährigen‘ sollen in den nächsten zwei Jahren die Bedingungen in Vorarlberg analysiert und Möglichkeiten der Weiterentwicklung der ‚Schule der 10- bis 14-Jährigen‘ aufgezeigt werden.“

Gerhard Riegler, Vorsitzender des Zentralausschusses für AHS-LehrerInnen:
„Dass eine zu große Inhomogenität im Klassenzimmer den Leistungsschwächeren ebenso schadet wie den Stärkeren, bestätigt die bildungswissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten, wie auf www.bildungswissenschaft.at ausführlich nachzulesen ist. Im Interesse der Jugend muss die Gesamtschul-Propaganda endlich einer Politik Platz machen, die Österreichs international beachtete Spitzenleistung, nicht zuletzt bei Dropout und Jugendarbeitslosigkeit, in seiner enormen gesellschaftlichen Bedeutung versteht, und bildungs- und sozialpolitische Maßnahmen setzt, die Österreichs Wirtschaftskraft und Wohlstand von heute erfolgreich in die Zukunft führen.“

Martin Schaffenrath, Vorsitzender des Bildungspolitischen Ausschusses der AK Tirol:
„Unser Schulsystem differenziert in sehr frühem Alter die Kinder in Hauptschul- und AHS-Schüler. Begabungen können dadurch nicht immer genützt bzw. erkannt und gefördert werden. In Südtirol gibt es die gemeinsame Schule bis zum Alter von 14 Jahren seit dem Jahr 1962.“

Bernd Schilcher, österreichischer Bildungsexperte:
„Seit Jahrzehnten stellt sich in Österreich das Problem der gemeinsamen Schule als ideologische Glaubensfrage dar. Die einen sehen in ihr das Heil unseres Schulsystems, die anderen seinen Untergang. Tatsächlich gibt es einige gute Gründe dafür, die Kinder möglichst lange gemeinsam zu unterrichten. Je länger das geschieht, desto geringer wird der Einfluss der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Unterschiede bei der Herkunft der Schülerinnen und Schüler. Diese Unterschiede sind bei uns erschreckend groß und beeinflussen die Leistungen der Kinder ganz gewaltig. Es empfiehlt sich daher dringend, darüber nachzudenken und eine offene Auseinandersetzung zu wagen.“

Josef Watschinger, Leiter des Schulverbundes Pustertal/Südtirol:
„Die Erfahrungen aus der Südtiroler Schulpraxis zeigen, dass die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen sehr wohl ein Ort sein kann, an dem sich die unterschiedlichen Potentiale, die in den Kindern und Jugendlichen stecken, entfalten können. Zusätzlich ermöglicht die gemeinsame Schule im guten Zusammenspiel der Unterschiedlichkeiten erweiterte Lernerfahrungen.“

Reinhard Wöll, Vorsitzender des Hochschulrates der Pädagogischen Hochschule Tirol:
„Kinder brauchen mehr Zeit, mehr Zeit zum Lernen, zum Reifen und für die Entscheidung ihrer künftigen Bildungslaufbahn. Eine Bildungswegentscheidung mit 14 schafft mehr Gerechtigkeit, erhöht die Chancen und ist bildungsökonomisch sinnvoller.”